Das Vorliegen der Interessenabwägungsklausel ist in 3 Stufen zu prüfen – Art. 6 Abs. 1 Buchst. c) DSGVO setzt kein Gesetz voraus

In einem etwas speziell gelagerten Fall hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens zu prüfen, ob der Erhalt bzw. die Herausgabe von Kontaktdaten von Mitgesellschaftern eines Immobilienfonds auf Art. 6 Abs. 1 Buchst. f) DSGVO gestützt werden kann. Nach seiner ständigen Rechtsprechung wandte der EuGH seine 3-Stufenprüfung an und betonte, dass das Kriterium der berechtigten Interessen weit ausgelegt werden könne. Ferner müsse aber die Datenverarbeitung zur Erreichung des Zwecks erforderlich sein. Dies sei dann nicht der Fall, wenn – wie hier – ein milderes Mittel zur Verfügung stünde, weil die betroffenen Personen vor einer Herausgabe der in Rede stehenden Kontaktdaten vorher gefragt werden könnten. Im Rahmen der Prüfung der entgegenstehenden Interessen der betroffenen Personen betonte das Gericht, dass aufgrund der Besonderheit des Falls, die betroffenen Personen die Weitergabe der Kontaktdaten vernünftigerweise nicht hätten erwarten müssen, weil eben diese Weitergabe vertraglich ausgeschlossen war.
 
Weil aber dieser vertragliche Ausschluss nach höchstrichterlicher nationaler Rechtsprechung (Beschluss des Bundesgerichtshofs (Deutschland) vom 19. November 2019 (II ZR 263/18) unwirksam sein und im Gegenteil nach eben dieser Rechtsprechung in Konstellationen wie der vorliegenden ein Herausgabeanspruch von Kontaktdaten bestehen könnte, sei nach Ansicht des EuGH ggf. Art. 6 Abs. 1 Buchst. c) DSGVO als Rechtsgrundlage zu prüfen. Unter Bezug auf Erwägungsgrund 41 betonte der EuGH, dass Art. 6 Abs. 1 Buchst. c) DSGVO keine Gesetzgebungsakt erfordere, sondern sich auch aus Rechtsprechung ergeben könnte, sofern sie klar und präzise sei und ihre Anwendung für die Rechtsunterworfenen gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vorhersehbar ist.
 
Für die Praxis ist dieses Urteil bedeutsam, weil sich im Rahmen einer Interessenabwägung öfter die Frage stellen dürfte, ob nicht nach einer Einwilligung gefragt werden könnte. Darüber hinaus findet der zumindest im privaten Bereich naturgemäß seltener geprüfte Art. 6 Abs. 1 Buchst. c) DSGVO künftig eine deutlich größere Relevanz, weil auch hinreichend klare Rechtsprechung zu dessen Anwendung führen kann.